Statische Eigenschaften

4.1 Statische Eigenschaften

Zur Beschreibung der strukturellen Eigenschaften des Systems dienen die Paarkorrelationsfunktionen und die partiellen Strukturfaktoren.

Als Paarkorrelationsfunktion f¨ ur bin¨are Legierungen wird die Funktion

g αβ (− →

r)=

δ(− → r − |− → r i (t) − − → r j (t)|)

N α N β i=1 j=1,j6=i

bezeichnet, mit

32 4 Eigenschaften des Systems

δ(...) = Deltaf unktion h...i = Ensemblemittel

− → r i (t) = Orstvektor von Atom i zur Zeit t

V = Bezugsvolumen.

Wegen der r¨aumlich homogenen und isotropen Systeme h¨angt sie im allgemein nicht von der Richtung des Vektors − → r , sondern nur von dessen Betrag r ab:

N α N β i=1 j=1,j6=i

Anschaulich bedeutet die Funktion g αβ (r), daß die Gr¨oße ρg αβ (r) die mittlere Teilchendichte in einer Kugeschale (r, r + dr) um ein gegebenes Teilchen angibt. Man kann leicht zeigen, daß das Produkt ρg αβ (r) f¨ ur große Abst¨ande von dem betrachteten Teilchen gegen die mittlere Teilchendichte ρ streben muß, so daß

(4.3) F¨ ur sehr kleine Abst¨ande muß wegen der abstoßenden Wechselwirkung

Um g αβ (r) aus der MD-Daten zu ermitteln, verwenden wir die Gleichung

g αβ (r) =

hn d (r, ∆r)i

Dabei ist n d (r, ∆r) die Zahl der fremden Atome in einer Kugeschale (r, r + ∆r) um ein gegebenes Atom. M ist die Zahl der Konfigurationen und L ist die Boxl¨ange. Statt nur bis halber Boxl¨ange berechnen wir die Paarkorrelationsfunktionen g αβ (r) bis zu 1,5- facher Boxl¨ange. Dies bedeutet, daß wir auch virtuelle Atome betrachten, die sich in virtuellen Nachbar-Simulationsboxen befinden. Um diese Berechnung zu realisieren, haben wir einen Algorith- mus von Allen [81] et.al. benutzt.

4.1 Statische Eigenschaften 33 Diese erweiterte Berechnung der Paarkorrelationsfunktionen g αβ (r) wird bei der Berechnung des

partiellen Strukturfaktors S αβ (q) f¨ ur kleine q-Werte wichtig. Nach unserer Erfahrung zeigen die partiellen Strukturfaktoren S αβ (q) bei kleinen q-Werten starke numerische Ungenauigkeit, wenn wir die Paarkorrelationsfunktionen g αβ (r) nur bis zur halben Boxl¨ange berechnen.

Die Abbildungen (4.1)-(4.3) zeigen die Paarkorrelationsfunktionen g αβ (r) unseres Systems. Aus den Abbildungen erkennt man, daß der Verlauf der drei partiellen Paarkorrelationsfunktionen von den Temperaturen nicht stark abh¨angig ist. Die Positionen der Maxima und Minima bleiben bei Abnahme der Temperatur unver¨andert. Das erste Maximum, das dem n¨achsten Nachbarabstand entspricht, liegt bei 2,59 ˚ ur g A f¨ N i−N i (r), 2,88 ˚ ur g A f¨ N i−Zr (r), und 3,45 ˚ ur g A f¨ Zr−Zr (r). Die zweiten Maxima der Paarkorrelationsfunktionen beginnen unterhalb von T = 1300 K in ein Doppelmaximum aufzuspalten.

Der Verlauf von g N i−Zr (r) und g Zr−Zr (r) ist ein typischer Verlauf von g(r) f¨ ur eine rasch abge- schreckte Fl¨ ussigkeit. Die Breite des ersten Maxmimus wird mit Abnahme der Temperatur schmaler. Die H¨ohe der ersten und zweiten Maxima vergr¨oßern sich mit Abnahme der Temperatur, w¨ahren sich die Tiefe der ersten Minima verkleinert.

g N i−N i (r) zeigt ein etwas anderes Verhalten. Dieser Verlauf ist vermutlich Folge davon, daß die Anzahl an Ni-Atomen im System gering und ihre Gr¨oße kleiner ist als die der Zr-Atome. Weiter scheinen sich hier die unterschiedlichen Paarpotentiale widerzuspiegeln, die nur eine schwache An- ziehung zwischen Ni-Atomen beinhalten. Aus der Abbildung (4.1) k¨onnen wir auch sehen, daß die H¨ohe des ersten Maximums in g N i−N i (r) sich mit Abnahme der Temperatur verkleinert. Dies ist verst¨andlich, da aufgrund der schw¨acheren Anziehungskraft zwischen den Ni-Atomen bei niedrigerer Temperatur Abbau von Ni-Ni-Paaren zugunsten von Ni-Zr-Paaren enthalpisch g¨ unstiger wird. Die Atome nehmen dabei Abst¨ande (≈ 4,5 ˚

A) an, die kleiner sind als der ¨ ubern¨achste Nachbarabstand (≈ 5.18 ˚ A): Erkennbar in der Abbildung liegt die Position in der linken Seite des abgepalteten zwei- ten Maximums. Die linke Seite des abgepalteten zweiten Maximums erh¨oht sich mit Abnahme der Temperatur, insbesondere wird dies bei Temperaturen zwischen 1100-1000 K deutlich.

Der Verlauf dieser Paarkorrelationsfunktionen ist vergleichbar mit MD-Ergebnissen f¨ ur ein Ni 80 P 20 -System mit Stillinger-Weber-Potential von Lewis (1991) [82] und ein bin¨ares Lennard-Jones

A 80 B 20 -System von Kob et.al. (1995)[83].

34 4 Eigenschaften des Systems

Ni−Ni

2 Ni−Zr 3

gr

gr

r (A)

r (A)

Abb. 4.1. Ni-Ni Paarkorrelationsfunktion bei ver- Abb. 4.2. Wie in Abb.(4.1) aber f¨ ur Ni-Zr. schiedenen Temperaturen v.o.n.u 1400 K, 1300 K, 1200 K, 10 K, 1000 K, 900 K und 800 K.

Zr−Zr

gr 2

r (A)

Abb. 4.3. Wie in Abb.(4.1) aber f¨ ur Zr-Zr.

4.1 Statische Eigenschaften 35 Andere Gr¨oßen, die f¨ ur die Beschreibung der strukturellen Eigenschaften wichtig sind, sind die

partiellen Strukturfaktoren. Diese Gr¨oßen werden nach Hansen et.al. [84] definiert durch:

→ −i− → q ·− S → αβ (− q)=x α δ αβ + ρx α x β (g αβ (r) − 1)e r d− → r

x α = Konzentrationszahl der α − Komponente δ αβ = Kronekersymbol,

die Fouriertranformierte der mikroskopischen Dichte der α−Komponente ist. Wegen der Isotropie des Systems h¨angt S αβ (− → q ) nur von der Wellanzahl q = |− → q | ab. Dann gilt

S αβ (q) = x α δ αβ + 4πρx α x β r 2 (g αβ (r) − 1)

sin(qr)

dr (4.9)

qr

Aus den partiellen Paarkorrelationsfunktionen kann man die partiellen Strukturfaktoren be- rechnen. Die Berechnung der S αβ (q) -Funktion erfolgt durch Anwendung folgender Gaußscher N¨aherungsform

S αβ (q) = x α δ αβ + 4πρx α x β r 2 (g αβ (r) − 1)

sin(qr)

exp(−(r/R) 2 )dr (4.10)

qr

mit R c = 1.5L und R = R c /3.

Diese N¨aherung gibt f¨ ur kleine q-Werte einen relativ glatten Verlauf der partiellen Strukturfak- toren, w¨ahrend sie ohne die Gaußsche D¨ampfung f¨ ur kleine q -Werte ein oszillatorisches Verhalten aufweisen. Diese Verfeinerung der partiellen Strukturfaktoren in diesem Bereich wird in der weite- ren Auswertung wichtig, da nach unserer Erfahrung partielle Strukturfaktoren mit oszillatorischem Verhalten ungeeignete Eingabedaten f¨ ur das Selbst-Konsistenz-Verfahren zur Bestimmung der asym- ptotischen L¨osungen der MKT-Gleichungen sind.

Die partiellen Strukturfaktoren sind in den Abbildungen (4.4)-(4.6) dargestellt. Wie bei den partiellen Paarkorrelationen ist der Verlauf der partiellen Strukturfaktoren von der Temperatur

36 4 Eigenschaften des Systems

S Ni−Zr S

Ni−Ni

q −1 (A ) q (A )

Abb. 4.4. Ni-Ni partieller Strukturfaktor f¨ ur ver- Abb. 4.5. Wie in Abb.(4.4) aber f¨ ur Ni-Zr. schiedene Temperaturen v.o.n.u 1400 K, 1300 K, 1200 K, 1100K, 1000 K, 900 K, und 800 K.

Zr−Zr

0 2 4 6 8 10 q −1 (A )

Abb. 4.6. Wie in Abb.(4.4) aber f¨ ur Zr-Zr.

4.1 Statische Eigenschaften 37 nicht stark abh¨angig. Die H¨ohe der Maxima und die Tiefe der Minima ¨andern sich mit Abnahme der

Temperatur nur wenig. Die H¨ohen der Maxima vergr¨oßen sich, w¨ahrend sich die Tiefen der Minima mit Abnahme der Temperatur verkleinern.

Die ersten Maxima und die ersten Minima liegen bei q max ≈ 2.4˚ A −1 und q min ≈ 1.94 ˚ A −1 f¨ ur S N i−Zr (q) und q max ≈ 2.2 ˚ A −1 und q min ≈ 2.94 ˚ A −1 f¨ ur S Zr−Zr (q). Beim Verlauf der beiden parti- ellen Strukturfaktoren ist deutlich zu sehen, daß nach den zweiten Minima bei S N i−Zr (q) und den ersten Minima bei S Zr−Zr (q) ein oszillatorisches Verhalten auftritt. Dieses oszillatorische Verhalten verst¨arkt sich mit Abnahme der Temperatur. Dieses Verhalten kann man auf die Struktur¨anderung zur¨ uckf¨ uhren, die von geordneter Struktur zur ungeordneten Struktur geht.

Bei S N i−N i gibt es einen interesanten Teilverlauf, das sog. Vormaximum, das nach Abbildung (4.4) bei q ≈ 1.65 ˚ A −1 liegt. Dieses Vormaximum ist verantwortlich f¨ ur das Vormaxium an gleicher Stelle im totalen Strukturfaktor (s. Abbildung (4.10)) und ein Hinweis auf Verbindungsbildung in der Legierung. Ein qualitativ ¨ahnlicher Verlauf von S N i−N i (q) kann aus den Experimenten von Kuschke

1991 [85] f¨ ur die amorphe Legierung Ni 25 Zr 75 entnommen werden. Genau wie die beiden anderen partiellen Strukturfaktoren beinhaltet der Verlauf der S N i−N i (q) nach dem ersten Minimum ein oszillatorisches Verhalten.

Nach Faber und Ziman [86] ist der totale Strukturfaktor S FZ tot (q) die gewichtete Summe der partiellen Faber-Ziman Strukturfaktoren a αβ (q). F¨ ur eine bin¨are Legierung gilt:

S FZ

(q) =

x tot 2 2 1 b 2 1 a 11 (q) + x 2 2 b 2 2 a 22 (q) + 2x 1 x 2 b 1 b 2 a 12 (q) (4.11)

b α = mittlere koh¨ arente Streul¨ ange der α − Komponente W ′

Die Wichtungsfaktoren W ′ αβ , die aus der im Experiment gemessenen mittleren koh¨arenten Streul¨ange

b α bestimmt werden k¨onnen, sind definiert durch:

38 4 Eigenschaften des Systems

Die partiellen Faber-Ziman Strukturfaktoren a αβ (q), die durch Kenntnisse der Paarkorrelations- funktionen g αβ (r) berechnet werden k¨onnen, sind definiert durch (Waseda [87]):

(4.14) und wegen der Isotropie des Systems gilt

αβ (− q)=1+ρ (g αβ − 1)e −i− q ·− r d− → r

a (q) = 1 + 4πρ r 2 αβ sin(qr) (g αβ (r) − 1) dr.

qr

In Prinzip ist die Methode zur Berechnung der partiellen Faber-Ziman Strukturfaktoren a αβ (q) wie bei S αβ (q). Die Abbildungen (4.7)-(4.9) zeigen, daß das Verhalten von a αβ ¨ ahnlich dem von S αβ (q) ist.

Durch Anwendung der a αβ (q) und mit Hilfe der experimentellen Daten f¨ ur die mittlere koh¨arente Streul¨ange b α kann man den totalen Strukturfaktor des Systems berechnen. Hier benutzen wir die b - Werte aus Kuschke 1991[85]. b f¨ ur nat¨ urliches Ni ist 1.03 (10 −12 cm) und f¨ ur das Zr 0.716 (10 −12 cm). Aus der Abbildung (4.10) ist deutlich zu sehen, daß es ein Vormaximum an der gleichen Stelle wie bei S N i−N i (q) gibt. Im Allgemeinen h¨angt die Existenz des Vormaximums mit dem Mischungsver- halten der Atomsorten zusammen [88]. Man kann dieses Vormaximum auch auf die Struktur der von unterschiedlichen Atomen zusammengesetzten Cluster zur¨ uckf¨ uhren, was bedeutet, daß nicht nur chemische Nahordnung, sondern auch chemische Mittelordnung in der Schmelze existiert [89].

Da die experimentellen Daten der a αβ (q) und des totalen Strukturfaktors f¨ ur unser System nicht vorhanden sind, benutzen wir die experimentellen Daten vom Ni 25 Zr 75 -System [85] zum Vergleich. Aus der Abbildung (4.11) kann man sehen, daß unsere Ergebnisse f¨ ur die Maxima und Minima der S tot (q), a Zr−Zr (q), und a N i−Zr (q) im Vergleich mit den experimentellen Daten um 0, 2 ˚ A −1 nach links verschoben sind. F¨ ur die Maxima und Minima der a N i−N i (q) stimmen unsere Ergebnisse mit den experimentelle Daten ¨ uberein. Die fehlende ¨ Ubereinstimmung zwischen unseren Ergebnissen und den experimentellen Daten ist verst¨andlich, da (1) die Dichte unseres System kleiner ist als die der Experimente. (2) In dieser Arbeit wird ein (N, P, T )-Ensemble simuliert. Bei unserer Simulationen fluktuiert das Volumen des Systems. Wegen dieser Fluktuationen im Volumen ist eine Verschiebung der partiellen Paarkorrelationsfunktionen g αβ (r) nach rechts oder links m¨oglich. (3) Die Zusam- mensetzung ist anders. Nach Altounian [90] verschieben sich die Maxima und Minima der totalen

4.1 Statische Eigenschaften 39

Ni−Ni

Ni−Zr

q −1 (A ) q (A )

Abb. 4.7. Ni-Ni partieller Faber-Ziman Strukturfak- Abb. 4.8. Wie in Abb.(4.7) aber f¨ ur Ni-Zr. tor f¨ ur verschiedene Temperaturen v.o.n.u 1400 K, 1300 K, 1200 K, 10 K, 1000 K, 900 K und 800 K.

a Zr−Zr 3

0 2 4 6 8 10 q −1 (A )

Abb. 4.9. Wie in Abb.(4.7) aber f¨ ur Zr-Zr.

40 4 Eigenschaften des Systems

12 Total

Zr−Zr

tot

tot

), q (

Ni−Zr

Ni−Ni

q −1 (A ) q (A )

Abb. 4.10. Totale Strukturfaktoren f¨ ur verschiede- Abb. 4.11. Vergleich zwischen MD-Ergebnissen ne Temperaturen v.o.n.u 1400 K, 1300 K, 1200 K, (Linien)

experimentellen Ergebnissen 10 K, 1000 K, 900 K und 800 K.

und

(Ni 25 Zr 75 )(Diamanten) der Totalen Strukturfak- toren und partiellen Faber-Ziman Strukturfaktoren.

Strukturfaktoren mit Abnahme der Ni-Konzentration nicht so stark nach links. Die Maxima des totalen Strukturfaktor f¨ ur Ni 25 Zr 75 verschieben sich um 0, 02 ˚ A −1 nach links im Vergleich zu den f¨ ur Ni 31 Zr 69 . Mit dieser Vorstellung von Altounian findet man, daß unsere Ergebnisse mit den expe- rimentellen Ergebnissen qualitativ fast ¨ ubereinstimmen. Wir finden jedoch eine etwas andere Form

4.2 Dynamische Eigenschaften 41 f¨ ur a N i−N i (q). Dies k¨onnte auf Details der Potentiale beruhen oder eine Folge der hohen Abk¨ ulrate

der Simulation sein.