Die kulturnationale Bewegung B ismarcks Auβenpolitik

E. Die kulturnationale Bewegung

Neben die politische und wirtschafliche Reformbewegung tritt die kulturnationale Bewegung : Deutschlands kenne zwar keine politische, jedoch eine kulturelle Einheit. Aus der gemeinsamen Sprache, Dichtung und Geschichte wird der Begriff der einheitlichen deutschen Kulturnation entwickelt. Das Nationalbewuβsein erfüllt sich damit zugleich bei vielen mit der Erinnerung an eine romantisch verklärte Vergangenheit. Abgewandt von der politichen Realität, entdeckt die Romantik den deutschen Julierevolution 1830 wenden sich demokratische Dichter wider unmittelbar den Problemen der Gegenwart zu. Die Heidelberger Romantik, ein Kreis von Dichtern um Achim von Arnim, Clemens Breantano, Josef Görres, der um 1806 in Heidelberg wirkt, spiegelt diese Abkehr von der Gegenwart und ihren Problemen besonders deutlich. Im Rückblick auf jene Jahre notiert Achim von Arnim : “Die eigentliche Geschichte war mir damals, unter der trübsinnigen Last, die auf Deutschland ruhte, ein Gegenstand des Abscheus, ich suchte sie bei der Poesi zu vergessen, ich fand in ihr etwas, das sein Wesen nicht von der Jahreszahl borgte, sondern das frei durch alle Zeiten hindurchlebte”. So sammelt man die poetische Zeugnisse des deutschen “Volksgeistes”, die in den unteren Schichten als Märchen, Lieder und Sagen noch lebendig sind. An die Stelle des politichen Fortschrittgedankens des Bürgertum tritt die idealisirte Vergangenheit, aus deren Zeugnissen man die Kraft für eine national Wiedergeburt schöpfen will :” Was der Reichtum unsres ganzen Volkes, was seine eigene lebendige Kraft gebildet., das Gewebe langer Zeit und mächtiger Kräfte, den Glauben und das Wissen des Volkes, was sie begleitet in Lust und Tod, Lieder, Sagen, Konden, Sprüche, Geschichten, Prophezeiungen und Melodien: Wir wollen allen alles wiedergeben….zu dem allgemeinen Denkmal des gröβten neueren Volkes der Deutschen Achin von Arnim. In der gleichzeitig entstehenden deutschen Philologie wird die Sprache als einigendes Merkmal der nation wissenschaftlich erförscht. Die Brüder Grimm geben eine historische “Deutsche Grammatik” heraus und begründen damit die germanistische Philologie. Aus der Rückwendung zu der gegenüber der trostlosen gegenwart romantisch verklärten Vergangenheit der “deutschen Nation” empfängt auch die in dieser Zeit entstehende deutsche Geschichtwissenschaft ihre Impulse. Die Anfänge werden wesentlich gefördert vom Freiherrn von Stein, der eine Sammlung und Edition der Geschichtsquellen des deutchen Mittelalters veranlaβt, die Monumenta Germania Historica. Nicht nur in der Geschichtsforschung, sondern auch in Dichtung und Malerei wird das Thema aufgegriffen. Das ”Heilige Römische Reich Deutscher Nation”, in dem man deutsche Einheit, Macht und Gröβe verkörpert sieht, wird zum Gegenbild zu der Zerrisenheit des deutschen Bundes in der Gegenwart. Diese Rückwendung zum Mittelalter und die Hoffnung auf eine Wiederkehr des alten Kaisertums wird von demokratichen Dichtern verspottet. Vor allem Heine richtet seine Angriffe immer wieder auf diese “Teutschtümelei”. Geistiger Mittelpunkt der nationaldemokratichen Bewegung, ist eine Gruppe radikaler Schriftsteller : Börne, Freiligrath, Hoffman von Fallesleben und das junge Deutschland. Sie alle fordern einen demokratischen Volkstaat, kämpfen gegen Feudalimus und Klerikalismus, gegen Bürokratie und Monarchie, gegen die Staatliche Unterdrückung der Presse-, Rede- und Gedankenfreiheit. Diese Dichter, die nach der französischen Julirevolution 1830 an Einfluβ gewinnen, fühlen sich dem liberalen und demokratihen “Zeitgeist” verpflichtet. Die deutschen Dichter auf der Linken gehen über die Propagierung liberaler politischer Forderungen hinaus und wenden sich der sozialkritischen Dichtung zu. In den Vordergrund tritt die Anklage gegen soziale Not, gegen Ungerechtigkeit, Hunger und Elend: Der materialle Druck, unter welchem ein groβer Teil Deutchlands liegt, ist ebenso traurig und schimplich als der geistige, und es ist in meinem Augen bei weitem nicht so betrübend, daβ dieser oder jener Liberale seine Gedanken nicht drucken lassen darf, als daβ viele tausend Familien nicht imstände sind, ihre Kartoffeln zu schmälzen” Georg Büchner. Diese Beseitigung der gesellschaftlichen Ungleichheit wird zum praktischen revolutionären Programm im Hessischen Landboten. Der Angriff agitatorischer Dichtung zielt nicht mehr allein auf die noch halbabsolutischen Regierungen und das Metternische Polizeisystem, sondern bezieht die bürgerliche Gesellschaftsordnung selbst in seine kritik ein. “das Verhältnis zwischen Armen und Reichen ist das einzige revolutionäre Element in der Welt”, schreibt Büchner 1835 an Gutzkow. Die Reaktion treibt auch diese Dichter in die Emigration oder bringt sie in Gefängnisse. Pastor Weidig – der Mitherausgeber des “Hessischen landboten”- wird 1837 in endlosen Gerichtsverhören zu Tode gequält.

F. Kundgebungen der nationalen Bewegung