C. Organe des Bundes
Das  zentrale  Bundesorgan  war  die  in  Frankfurt  am  Main  tagende Bundesversammlung  Bundestag,  ein  ständig  tagender  Gesandtenkongress.  Dieser
trat  zum  ersten  Mal  am  5.  November  1816  zusammen.  Erste  Aufgabe  war  es,  ein Grundgesetz des Bundes im Hinblick auf die auswärtigen, inneren und militärischen
Verhältnisse zu schaffen Art. 10 Bundesakte. Es ging also darum, den Rahmen der Bundesakte auszufüllen. Dazu ist es allerdings nur teilweise gekommen, wenngleich
die Wiener Schlussakte vom 8. Juni 1820 ein Versuch zu einer verfassungsähnlichen Zusammenfassung des Bundesrechts war.
Die  Bundesversammlung  bestand  aus  zwei  Räten,  dem  Plenum  und  dem Engeren Rat. Im Plenum waren alle Staaten stimmberechtigt. Allerdings bemaß sich
die Stimmenstärke wie beim heutigen  Bundesrat nach der Einwohnerzahl. Auch die geschlossene  Abgabe  der  Stimmen  der  einzelnen  Staaten,  seit  19491990  der
Bundesländer,  lässt  eine  solche  Kontinuität  erkennen.  Dazu  zählt  auch,  dass  die Gesandten nicht vom Volk gewählt wurden, sondern Regierungsvertreter waren. Das
Plenum  trat  allerdings  nur  selten  zusammen.  Es  war vor  allem  für  Grundsatzfragen oder für die Neueinrichtung von Bundesinstitutionen zuständig. In diesen Fällen war
ein  einstimmiges  Votum  notwendig.  Durch  dieses  Prinzip  konnte  die  strukturelle Weiterentwicklung des Bundes blockiert und Zentralismus verhindert werden.
Dagegen  tagte  der  Engere  Rat  unter  dem  Präsidium  von  Österreich regelmäßig.  Dieser  hatte  17  Mitglieder.  Während  die  größeren  Staaten  Preußen,
Österreich,  Sachsen,  Bayern,  Hannover,  Württemberg,  Baden,  Hessen-Kassel, Hessen-Darmstadt,  die  Herzogtümer  Lauenburg  und  Holstein  sowie  das
Großherzogtum  Luxemburg  über  so  genannte  Virilstimmen  verfügten  und  damit eigene  Vertreter  stellten,  hatten  die  kleinen  Staaten  nur  eine  Kuriatstimme.  Nur
indirekt  und  gemeinsam  über  eine  von  sechs  Kurien  waren  sie  an  den  Beratungen beteiligt.  Der  stimmberechtigte  Bundesbevollmächtigte  wechselte  zwischen  den
Ländern  dabei  regelmäßig.  Diese  Unterscheidung  von  Viril-  und  Kuriatstimmen wurde, wie auch andere Elemente, vom Reichstag des Alten Reiches übernommen.
Im  engeren  Rat  reichte  zur  Beschlussfassung  die  einfache  Mehrheit.  Bei Stimmengleichheit  gab  der  österreichische  Präsidialgesandte  den  Ausschlag.
Bundesrecht  hatte  Vorrang  vor  Landesrecht.  Ansonsten  galten  die  jeweiligen
Landesgesetze.  Gemessen  an  der  Stimmenverteilung,  konnten  weder  Österreich noch  Preußen  das  Plenum  oder  den  engeren  Rat  majorisieren.  Auch  konnte  keiner
der  beiden  großen  Staaten  zusammen  mit  den  Virilstimmen  anderer  Länder  die übrigen Bundesmitglieder überstimmen.
Insofern  entsprach  die  Struktur  des  Bundes  nicht  einem  auf  Österreich zugeschnittenen System Metternich, sondern hatte zunächst eine prinzipiell offenere
Bundesverfassung und ließ beim nationalistisch gesinnten Bürgertum Hoffnungen auf eine Entwicklung des Bundes hin zu einem  Nationalstaat aufkommen. Damit war es
freilich  mit  dem  Beginn  der  Restaurationszeit  vorbei.  Nicht  verwirklicht  wurde  vor allem in den großen Staaten Österreich und Preußen bis zur Revolution von 1848 die
Einführung einer Verfassung. Auch  wenn  die  meisten  Verfassungshistoriker  die  Auffassung  vertreten,  dass
der  Deutsche  Bund lediglich  ein  Staatenbund war,  der  außer  dem  Bundestag keine weiteren Organe besaß, haben sich doch in der Verfassungswirklichkeit auch Ansätze
einer bundesstaatlichen Ordnung entwickelt. So entstand im Zusammenhang mit der Demagogenverfolgung  die  staatspolizeiliche  Überwachungsbehörde  in  Mainz
beziehungsweise  in  Frankfurt.  Daneben  wurden  in  verschiedenen  Ausschüssen  des Bundestages  Entscheidungen  etwa  zu  wirtschaftspolitischen  Fragen,  zur  Regelung
der Auswanderung und anderen Problemen getroffen. Dennoch  ist  nicht  zu  übersehen,  dass  der  Deutsche  Bund  letztlich  mehr
Staatenbund als Bundesstaat war. So waren zwar ausländische Fürsten in Frankfurt vertreten,  ein  aktives  Gesandtschaftswesen  hat  der  Bund  selber,  mit  wenigen
Ausnahmen,  jedoch  nicht  unterhalten,  obwohl  die  Wiener  Schlussakte  in  Artikel  50 eine  gemeinsame  auswärtige  Politik  sowie  den  Austausch  von  Gesandten
ausdrücklich vorsah. Vor allem die beiden europäischen Großmächte hatten an einer selbständigen  Außenpolitik  kein  Interesse,  auch  hätte  diese  dem  Prinzip  der
Souveränität  der  Einzelstaaten  widersprochen.  Diese  blieb  Sache  der  größeren Einzelstaaten.  Zu  den  Repräsentationsdefiziten  nach  innen  wie  nach  außen  gehörte
auch, dass es bis 1848 keine eigene Staatssymbolik des Bundes gab. Die  Struktur  der  Bundesversammlung  als  Gesandtenkongress  führte  zu  einer
meist langsamen Entscheidungsfindung. Zudem stellte sich in der Praxis bald heraus,
dass der Bund nur entscheidungsfähig war, wenn der nirgendwo verbriefte Konsens von Preußen und Österreich nicht aufgekündigt wurde.
Die  Geschichte  des  Bundes  von  1814  bis  1866  wurde  von  dem  Neben-  und Gegeneinander von Österreich, Preußen und dem „Dritten Deutschland“ durchzogen.
Solange die deutschen Großmächte zusammenarbeiteten war der Deutsche Bund ein Instrument,  um  die  Klein-  und  Mittelstaaten  zu  disziplinieren.  Dies  kam  etwa  zum
Tragen,  wenn  es  dort  zu  Liberalisierungen  im  Bereich  des  Vereins-  oder Pressewesens kam. Höhepunkte waren die Phasen der Restauration nach 1819 und
der  Reaktion  nach  1849.  Dagegen  hatten  die  kleineren  und  mittleren  Staaten  in Zeiten  revolutionärer  Unruhe,  wie  in  der  Julirevolution  1830  und  in  der  Revolution
184849, sowie während der Phasen des preußisch-österreichischen Konflikts, mehr Bewegungsspielraum.  Die  starke  Stellung  der  beiden  Großmächte  entsprang
allerdings  nicht  der  Konstruktion  des  Bundes,  sondern  beruhte  im  Kern  auf Machtpolitik,  die  sich  notfalls  auch  militärischer  Gewalt  bediente.  Da  die  beiden
deutschen  Großmächte  über  den  Bund  hinausreichten,  konnten  sie  mehr  Truppen unterhalten,  als  ihnen  die  Bundeskriegsverfassung  von  1821  zugestand.  Dies
unterschied sie deutlich von den kleineren Staaten des Bundes.
D. Militärgewalt des Bundes 1. Organisation