hat und noch eingreifen wird, als die industrielle Revolution, in welche unsere Zeit begriffen ist.“
Wurde der Begriff hier auf die von England ausgehende industrielle Entwicklung begrenzt, hatte schon Schulz ihn auch auf andere Epochen angewandt.
Darin folgte ihm vor allen die angelsächsische Tradition etwa John Stuart Mill oder Arnold Toynbee. Als Epochenbezeichnung wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts
die historische Einmaligkeit der Entstehung der Großindustrie betont, während er als Prozessbezeichnung den Umbruch noch als etwas Unabgeschlossenes deutete. Die
Bedeutungsebene als Prozessbegriff verlor im 20. Jahrhundert gegenüber dem Begriff der Industrialisierung allerdings deutlich an Bedeutung.
B. Problem der chronologischen Abgrenzung
Unbestritten in der Forschung ist die Ansicht, dass die industrielle Revolution auf teilweise lang zurückliegenden Vorbedingungen beruhte. Einige - wie Simon
Smith Kuznets - relativieren daher das Konzept einer Revolution im Sinne eines radikalen Umbruchs angesichts des Entwicklungscharakters stark. Kuznets
betrachtete die Zeit von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart hinein als die Epoche des „modernen Wirtschaftswachstums.“ Die meisten Forscher jedoch
hielten und halten an der Vorstellung eines industriellen Durchbruchs im Sinne eines vergleichsweise rasch stark anwachsenden Wirtschaftswachstum auch in der
deutschen Entwicklung fest. Umstritten bleibt jedoch die genaue Abgrenzung. Es hat sich mittlerweile in der Forschung durchgesetzt, vom eigentlichen
Beginn der Industrialisierung eine „Vorbereitungsphase“ zu unterscheiden, die etwa um 1790 einsetzte. Dem f
olge die eigentliche Phase des „take offs“ oder der industriellen Revolution. Dessen Anfang ist weiterhin umstritten. Fritz-Wilhelm
Henning, Karl Heinrich Kaufhold oder Jürgen Kocka datieren ihren Beginn in die 1830er Jahre. Reinhard Spree, Richard H. Tilly und auch Hans-Ulrich Wehler sehen
den entscheidenden Schritt hin zu einer beschleunigten industriellen Entwicklung in den 1840er Jahren erreicht. Knut Borchardt schlug gar die 1850er Jahre als Beginn
der industriellen Revolution an. Bei allen Detaildiskussionen sind sich die neueren Autoren im wesentlichen
einig, dass nach einer längeren Vorlaufphase der Vor- oder Frühindustrialisierung
Deutschland spätestens in der Mitte des 19. Jahrhunderts sowohl in quantitativer wie auch qualitativer Hinsicht in das Industriezeitalter eintrat. Dies gilt sowohl für die
Ökonomie wie auch für die Gesellschaft .
C. Vor-, Früh- und Protoindustrialisierung
Die Ausgangssituation für eine industrielle Revolution war in Deutschland deutlich schlechter als im Ursprungsland der Industrialisierung, in Großbritannien.
Dazu zählen der fehlende einheitliche Markt, die Vielzahl von Zöllen, Währungen oder Gewichten und die territoriale Zersplitterung im Heiligen römischen Reich.
Verkehrstechnisch war das Reich deutlich schlechter erschlossen als England, auch fehlte die überseeische Handels- und Kolonialexpansion. Der Rückstand gegenüber
Großbritannien zeigt sich auch in dem in Deutschland wesentlich stärkeren agrarischen Sektor. Zudem hatte in diesem Bereich zu Beginn des 19. Jahrhunderts
noc h keine vergleichbare „Agrarrevolution“ stattgefunden. Es gab noch starke
feudale Elemente, und sieht man einmal von Ostelbien ab, zahlreiche leistungsschwache Kleinbetriebe, die vielfach noch mit alten Methoden
wirtschafteten und als Subsistenzbetriebe kaum mit dem Markt verbunden waren. Hinzu kamen weitere Aspekte. Trotz des Merkantilismus im 18. Jahrhundert hielten
etwa im Bereich des Handwerks die Zünfte an alten wirtschaftlichen Regulierungsinstrumenten fest.
Trotz der Entwicklungsprobleme gab es auch in den deutschen Ländern bereits seit der frühen Neuzeit vorbereitende Entwicklungen. Werner Conze grenzte
eine vorbereitende Phase etwa auf die Zeit zwischen 1770 und 1850 ein. Dazu zählte ein in der Mitte des 18. Jahrhunderts einsetzendes stärkeres Bevölkerungswachstum.
Das verstärkte die Nachfrage und vergrößerte das Arbeitskräftepotential. 1. Protoindustrie und Heimgewerbe
Zwar befand sich das Zunfthandwerk um 1800 in der Krise, aber auch im gewerblichen Bereich gab es nicht nur stagnierende Entwicklungen. In den
Manufakturen mit etwa 100.000 Arbeitskräften gab es in gewissem Umfang bereits eine Art Massenproduktion mit Arbeitsteilung. Das Verlagssystem Protoindustrie
war in einigen Regionen bereits im späten Mittelalter und vor allem der frühen
Neuzeit entstanden. So haben sich die landarmen Schichten in Ostwestfalen und anderen Gebieten auf die heimgewerbliche Herstellung von Leinen spezialisiert, die
von Händlern aufgekauft und auf dem überregionalen Markt vermarktet wurden. Man schätzt, dass immerhin eine Million Menschen um 1800 in diesem Bereich
beschäftigt waren. Diese und andere Entwicklungen auch im Eisen- und Metallgewerbe und
anderen Bereichen haben bereits verschiedene regionale Zentren gewerblicher Verdichtung entstehen lassen. In den westlichen preußischen Provinzen Rheinland
und Westfalen waren dies etwa der bergisch-märkische Raum, das Siegerland mit Ausläufern ins Sauerland. Ähnliche Zusammenhänge gab es im Rheinland, wo Eisen
aus der Eifel zwischen Aachen, Eschweiler, Stolberg und Düren weiterverarbeitet wurden. Vor allem aber konzentrierte sich in diesem Gebiet die Messing-, Zink- und
Bleiproduktion. In Oberschlesien wurden Bergbau und Verarbeitung teils vom Staat und teils von Großgrundbesitzern betrieben. Zu diesen gehörten die Grafen von
Donnersmarck oder die Fürsten von Hohenlohe. Im Königreich Sachsen existierte ein hochdifferenziertes
Gewerbe vom
Land- und
Stadthandwerk, über
Heimgewerbetreibende in der Protoindustrie, Manufakturen, Bergbau und bald auch ersten Fabriken. Weite Teile Sachsens - hier vor allem die Region Chemnitz, das
später auch sächsisches Manchester genannt wurde, - gehörten ebenso wie das nördliche Rheinland sogar zu den wachstumsintensivsten Regionen Europas, so
Hahn.
2. Frühindustrialisierung