Menschenturm und Christentum seien dasselbe. Die Idee einer “Unsichtbare Kirche”
verbreitet sich mehr und mehr, die im Volke umlaufenden Prophezeihungen sind vielfach kirchenfeindlich. Seit 1250 hat sich die Absetzbewegung weiter Kreise
allmählich sehr verstärkt, und viele geben sich schon dem Glauben hin, dass es auch ein Christentum auβerhalb der Kirche geben könne.
Aus diesem wirtschaftlich, religiös und politisch bewegten Boden erwächst durch das Auftreten einer machtvollen Persönlichkeit die folgenschwere Tat der
Reformation Luthers. Papst Leo X. hat als Bedingung für die Gewinnung des Jubiläumsablasses den
Gläubigen einen Beitrag zum Bau der neuen Peterskirche in Rom vorgeschrieben. Den Vertrieb hat das Bankhaus der Fugger gepachtet, und der Ablaβ wird vielfach in
einer Weise verkündet, dass jeder, der einen Zettel kauft, seiner Sünde ledig und seines Heils gewiβ sei; auch Tetzel soll derartiges gepredigt haben. Gegen solchen
Miβbrauch schlägt Luther am 31.Oktober 1517 seine 95 Thesen an der Schloβkirche
zu Wittenberg an. Diese lateinisch geschriebenen gerichteten Thesen fordern nach dem damals
an den Universitäten üblichen Verfahren andere Professoren zur öffentlichen Disputation auf. Aber Luthers Thesen bleiben nicht auf den engen Kreis beschränkt,
sondern werden im ganzen deutschen Volk schnell verbreitet und verursachen tiefe Erregung. Das Volk antwortet in dieser Weise auf Luthers Anruf, und macht ihn zum
Reformator.
4. Der Augsburger Religionsfriede
Der Augsburger Religionsfriede entspringt dem Bedürfnis der beiden Parteien, irgendwie zu einer Einigung zu kommen. Er setzt folgendes fest: 1. Katholiken und
Lutheraner werden als gleichberechtigt anerkannt. Der Landesherr bestimmt den Glauben seiner Untertanen. 2. Geistliche Fürsten, die zur neuen Lehre übertreten,
verlieren ihren weltlichen Besitz, das Domkapitel wählt einen neuen Bischof. Der Friede ist ein Kompromiβ, der keine Seite befriedigt. Nur die Territorien
haben ihn unter sich abgeschlossen. Weder der Kaiser noch der Papst sind beteiligt. So ist er der Ausdruck einer völlig neuen Zeit und eines völlig neuen säkularisierten
Geistes.
5. Die Ausbreitung der Reformation in Deutschland und Europa
Die Lehre Luthers hat sich inzwischen in Norddeutschland ebenso wie in Schweden, Norwegen, Dänemark und Schleswig-Holstein, also in konservativen,
wesenlich landwirtschaftlich bestimmten Ländern, durchgesetzt. In Italien und Spanien ist zwar der Ruf nach Reformen sehr stark erhoben worden.
Nach 1563 ist die Bewegung Luthers bereits schulmäβig erstarrt und durch theologische Fehden zu sehr geschwächt, um noch dem katholischen Rivalen
gefährlich werden zu können. Der stärkste Gegner des Katholizismus ist damals schon der Calvinismus geworden, der sich in den wirtschaflich fortgeschrittenen
Ländern in Süddeutschland, in Frankreich, in den Niederlanden, in England und später auch in Nordamerika unter verschiedenen Namen verbreitet hat Reformierte,
Hogenotten, Puritaner, Presbyterianer.
KAPITEL II Der Dreiβigjährige Krieg 1618 – 1648
Die Lage im Reich und in Europa vor Beginn des Dre iβigjährigen Krieges
Die Lage in Europa hat sich um 1600 sehr zuungunsten Deutschlands gestaltet. Der wirtschaftliche Bankrott Spaniens wirkt auch auf das mit ihm eng verbundene Reich
ein, die Geldmacht der Fugger sinkt, 1637 geht das Haus in Konkurs. Dazu kommen Münzzerfall, wirtschaftlicher Rückgang Niedergang der Hanse und mehren sich
soziale Unruhen. Heftig befehden sich die Lutheraner und Calvinisten, vor allem wächst die konfessionelle Spannung zwischen der katholischen und protestantischen
Partei. 1608 schlieβen sich die evangelische Stände zur Union zusammen; ihr Führer ist der Calvinist Friedrich von der Pfalz. Die Katholiken verbinden sich 1609 unter
Maximilian von Bayern zur Liga.
1.Der böhmisch-pfälzische Krieg 1618 – 1622
1618 bricht in Böhmen ein Aufstand aus, da nach Ansicht der protestantischen Stände die ihnen im Majestätsbrief des Kaisers Rudolf II. zugesicherte
Religionsfreiheit verletzt worden ist und sie von einer weiteren Herrschaft der katholisch gebliebenen Habsburger eine Beeinträchtigung ihrer Unabhängigkeit
befürchten. Sie werfen zwei kaiserliche Statthalter aus den Fenstern des Prager Hradschin und setzen eine eigene Regierung ein. Als 1619 Ferdinand II.von
Steiermark, ein Anhänger der Gegenreformation, zum Kaiser gewählt wird, weigern sich die Böhmen ihn anzuerkennen und wählen zu ihrem König den Führer der
Union, Friedrich V von der Pfalz. Die Aufständlichen bedrängen Ferdinand im Bunde mit dem protestantischen Ständen Österreichts in seiner eigenen Wiener Hofburg.
Aber der Kaiser wird befreit, und die protestantischen Fürsten leisten ihren aufständischen Glaubensbrüdern keine Hilfe: sie schlieβen sich vielmehr zum Teil
dem Kaiser an, der auch von der Liga und Spanien unterstützt wird.
2. Der niedersächsisch – dänische Krieg 1626 – 1630